Gewalt macht kaputt

,,Gewalt macht kaputt“, sagt Christoph Rickels, während ihm die Achtklässler gebannt zuhören. Er muss es wissen, denn ein einziger Schlag am 27. September 2007 verändert sein ganzes Leben. Vor dem Schicksalstag war Christoph Rickels vieles: Schulsprecher, begeisterter Musiker und sportlich sehr aktiv. Rickels hatte sein Abitur in der Tasche und wollte nun zu den Feldjägern, sogar schon ein Platz war ihm sicher. Ein letztes Mal ging er feiern, doch nicht in gewohnter Umgebung. Er spendierte einer jungen Frau ein Getränk und dachte sich natürlich nichts dabei. Wie alle anderen um ihn herum wollte er einfach nur seinen letzten Abend in seinem Heimatort genießen. Als er den Club kurz verließ, verpasste der eifersüchtige Freund der Frau ihm einen Schlag an die Schläfe, ohne dass er hätte reagieren können. Bewusstlos fiel er mit dem Gesicht direkt auf den Boden, ein weiteres Mal wurde auf ihn eingeschlagen. Diese wenigen aber entscheidenden Sekunden, die auf dem Beamer im Klassenraum auf einem Video der Überwachungskamera zu sehen sind, sollten sein ganzes Leben verändern. Stille herrscht. Es ist so leise, dass man eine Feder auf den Boden fallen hören könnte. Eine gewisse Betroffenheit hat sich unter den Schülern ausgebreitet. Vier Monate lag er im Koma, seitdem ist er zu 80% schwerbehindert. Alles musste er von neuem lernen, egal ob Sprechen, Essen oder Laufen. Von seinem alten Leben blieb kaum etwas übrig, nicht einmal Freunde. Einige Schüler schauen sich an, ganz langsam, fragen sich vielleicht ob es ihnen auch so ergehen würde. Doch Christoph Rickels hat nicht den Mut verloren. Mit viel Geduld und neuer Kraft hat er sich ein neues Leben aufgebaut. Er wollte sein Schicksal teilen, versuchen mit Hilfe seiner Geschichte und seinen Erlebnissen gegen Gewalt vorzugehen, Menschen , vor allem jungen, ein Bewusstsein für ihre Taten zu schaffen. Er gründete die Initiative „First Togetherness“ gegen Gewalt, die heute von vielen Prominenten wie Jörg Pilawa, Olivia Jones und Yvonne Catterfeld unterstützt wird. Seit 2010 besucht er Schulen im ganzen Land, um dort Vorträge zu halten, seine Geschichte zu erzählen und den Schülern die Botschaft zu übermitteln, wie uncool Gewalt eigentlich ist. Während der letzten 90 Minuten gab es immer wieder Situationen, in denen Christoph etwas lachen musste, dazu erklärt er: ,,Manchmal mag es sein, dass ich an manch eher schlimmen Stellen lachen muss. Mein Körper tut dies als Reaktion auf meine traurigen Gefühle in mir, denn seit dieser Nacht kann ich nicht mehr weinen.“ Die Schüler und auch Lehrer die sich im Hintergrund halten, ja sogar der Polizist, würden jetzt in diesem Moment wahrscheinlich am liebsten für ihn weinen. Rickels kämpft nicht nur gegen Gewalt, sondern auch um sein Schmerzensgeld: Seit Jahren weigert sich die Versicherung zu zahlen, ein Prozess folgt dem anderen. Doch aufgeben, so sagt er, wird er nach alldem, und mit seiner Organisation und dem Rückhalt dahinter, jetzt erst recht nicht. Diesen Besuch wird die Klasse 8C so schnell nicht vergessen. Berührt hat er sie alle. Einige Schüler gehen bedrückt und schweigend aus dem Raum, andere verabschieden sich von ihm mit einem lächelnden, aber auch einem weinenden Auge. Seine Wirkung, zum Nachdenken anzuregen, dass aus Spaß schnell Ernst werden kann, hat er definitiv erreicht. Das hätten eineinhalb Stunden normaler Unterricht wohl nicht geschafft. Von Charlyn und Rebecca

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